Inkontinenz bei der Frau: das Wichtigste zur Entstehung und Behandlung
Häufig auch "Blasenschwäche" genannt, betrifft die Harninkontinenz vorrangig Frauen. Viele Faktoren spielen dabei mit, warum die weibliche Anatomie anfälliger für Inkontinenz-Beschwerden ist und wie sie behandelt werden kann.
Wann spricht man von Inkontinenz (Blasenschwäche) und welcher Arzt behandelt sie?
Kann Urin nicht (immer) willentlich zurückgehalten werden, so spricht man von einer Harninkontinenz. Oftmals wird die Inkontinenz auch Blasenschwäche genannt. Die sehr unangenehme Erkrankung ist eines der häufigsten Beschwerdebilder, aufgrund dessen Patientinnen die ärztliche Praxis aufsuchen. Harninkontinenz kann in jedem Lebensalter auftreten, jedoch steigt die Prävalenz mit zunehmendem Alter deutlich. Eine verlässliche Angabe der Prävalenz ist schwer möglich, da eine hohe Dunkelziffer angenommen wird. Eine Befragung in Deutschland im Jahr 2005 ergab, dass rund 15 Prozent der weiblichen Bevölkerung Inkontinenzbeschwerden haben (Beutel 2005).
Welche Arten von Inkontinenz bei Frauen gibt es?
Die Inkontinenz kann die Lebensqualität massiv einschränken und wird trotz der Häufigkeit oftmals als Tabuthema behandelt und viele Betroffene suchen erst sehr spät ärztlichen Rat. Es wird zwischen mehreren Formen der Harninkontinenz unterschieden: Die häufigsten sind Belastungsinkontinenz, Dranginkontinenz, Mischharninkontinenz und “Überlaufinkontinenz” (oder: Inkontinenz bei chronischer Harnretention). Weitere Formen sind Enuresis nocturna (unbemerkter Urinverlust während des Schlafens), neurogene Detrusorüberaktivität mit Harninkontinenz (frühe Reflexinkontinenz), extraurethrale Harninkontinenz (aufgrund von z. B. Fistelbildung) oder seltener auch Lagerungsinkontinenz (Urinverlust bei Lagewechsel, z. B. von Liege- in Sitzposition), Giggle-Inkontinenz (Urinverlust beim Lachen) und koitale Harninkontinenz (Urinverlust beim Sex und/oder beim Orgasmus) (AWMF 2021).
Die Belastungsinkontinenz tritt aufgrund einer gestörten Verschlussmechanik der Harnröhre auf. Steigt der Druck im Bauchraum - etwa beim Husten, Niesen, Lachen, Aufstehen bzw. Lagewechsel - führt dies zu einem ungewollten Urinverlust. Diese Form der Inkontinenz tritt häufig in den letzten Schwangerschaftsmonaten auf, da auch hier der Druck im Bauchraum stark erhöht ist, bzw. entsteht sie oftmals in Folge einer oder mehrerer Geburten. Die Dranginkontinenz beschreibt einen plötzlichen, sehr intensiven Harndrang, der aufgrund der Dringlichkeit zu Urinverlust führt. Die Dranginkontinenz kann mit einer Blasenentzündung in Verbindung stehen aber auch mit Fremdkörpern in der Harnröhre oder neurologischen Erkrankungen. Von einer Mischinkontinenz spricht man dann, wenn sowohl eine Belastungs- als auch eine Dranginkontinenz und eine entsprechende Mischsymptomatik vorliegt. Zu einer Überlaufinkontinenz kommt es vor allem dann, wenn die Blase nie gänzlich entleert wird und dadurch übervoll ist.
Inkontinenz nach Schwangerschaft und andere Ursachen
Die Ursachen für die Entstehung einer Harninkontinenz sind den unterschiedlichen Formen entsprechend sehr vielfältig. Frauen sind generell häufiger betroffen als Männer: Die Hauptgründe dafür sind etwa eine weniger starke Beckenbodenmuskulatur bei Frauen, die mit zunehmendem Alter (und schlechtem Trainingszustand) zu weiterer Schwächung neigt. Ebenso ein Faktor, der die Harninkontinenz begünstigt, ist die Menopause: Aufgrund von verminderter Hormonproduktion (weniger Östrogen) verändert sich die Durchblutung der Harnröhre, wodurch es häufiger zu Inkontinenz kommt. Sehr oft steht Harninkontinenz auch mit einer Schwangerschaft oder Geburt in Zusammenhang - beide Ereignisse bedeuten eine hohe Belastung für den Beckenboden. Auch Übergewicht erhöht die Belastung auf den Beckenboden und so das Risiko der Erkrankung. Daneben können eine Vielzahl von Erkrankungen die Harninkontinenz begünstigen: neben Harnwegsinfekten (Blasenentzündung), Blasensteinen oder Verstopfung können auch Diabetes mellitus Typ 2, Herzinsuffizienz oder neurologische Erkrankungen (z. B. Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Morbus Alzheimer) Auslöser sein. Auch bestimmte Medikamente bzw. -kombinationen können ursächlich für die Inkontinenz sein, darunter etwa Diuretika, Beta-Blocker, ACE-Hemmer oder Antidepressiva. Kommt es zu einem sehr plötzlichen Auftreten der Harninkontinenz könnten auch akute Erkrankungen wie Bandscheibenvorfall oder Schlaganfall (AWMF 2021).
Kann ich einer Inkontinenz vorbeugen?
Mit steigendem Alter steigt auch das Risiko für die Entstehung einer Harninkontinenz. Doch unabhängig davon kann eine Reihe unterschiedlichster Faktoren über das Risiko mitbestimmen. Genau hier setzt die Prävention an. Um die Beckenbodenmuskulatur zu stärken etwa, ein häufiger (Mit-)Grund für Harninkontinenz, kann entsprechendes Beckenbodentraining erfolgen. Besonders rund um eine Schwangerschaft ist dieses Training empfohlen, da Schwangerschaft und die Folgen einer Geburt häufig mit Inkontinenzproblemen einhergehen. Da bestimmte Medikamente - etwa Diuretika, ACE-Hemmer oder systemische Östrogen-Therapie - die Erkrankung begünstigen können, ist es wichtig, bei entsprechenden Beschwerden früh ärztlichen Rat zu suchen. In vielen Fällen können die Arzneimittel durch andere ersetzt und die Beschwerden so beseitigt werden. Übergewicht ist ein begünstigender Faktor für eine Harninkontinenz und sollte daher möglichst abgebaut werden, um das Risiko zu senken. Studien konnten auch eine Verbindung zwischen niedrigem Vitamin-D-Spiegel und einem höheren Risiko für Harninkontinenz feststellen - ein entsprechend adäquat gefüllter Speicher (z. B. durch Supplementierung) könnte also präventiv wirken.
Wie wird die Diagnose Harninkontinenz gestellt?
Jeder diagnostischen Untersuchung geht ein ärztliches Anamnesegespräch voran. Die ersten Anlaufstellen sind Allgemeinmediziner:innen, bzw. gezielter: Urolog:innen. Aus diesem Gespräch geht sehr häufig bereits ein Verdacht hervor, um welche Art der Harninkontinenz es sich handelt. Auslösemechanismen, Zeitpunkt und Ausmaß des Urinverlusts können so oftmals bereits erfasst werden. Essenziell ist die Erhebung der gynäkologischen Vorgeschichte bzw. der Krankengeschichte der Frau. Sehr wichtig ist auch die Erhebung der eingenommenen Medikamente, da bestimmte Arzneimittel eine Harninkontinenz stark begünstigen können. Ein wichtiger Diagnoseschritt ist die Urinanalyse: Mithilfe eines Streifentests oder - besonders genau - einer Urinkultur können beispielsweise Harnwegsinfektionen oder an eine Glucosurie (zu hohe Zucker-Ausscheidung im Urin) sowie eine Mikrohämaturie (Blut im Urin) ausgeschlossen bzw. festgestellt werden. Sind begleitende Blasen- oder Beckenschmerzen Faktoren wie wiederkehrende Harnwegsinfekte, neurolgische Erkrankungen, zurückliegende Beckenoperationen, Bestrahlung oder Organabsenkungen vorhanden, erfolgt die Überweisung an Spezialist:innen. Klinische Untersuchungen können eine Tastuntersuchung über das Abdomen und/oder der Beckenbodenmuskulatur, sowie vaginale und rektale Untersuchungen umfassen. In manchen Fällen kann etwa ein “Hustenstresstest” sinnvoll sein, bei dem die Patientin aufgefordert wird, bei voller Blase zu husten. Um womöglich vorhandenen Restharn (Menge an Urin die nach der Leerung in der Blase verbleibt) zu bestimmen, kann eine Ultraschalluntersuchung oder ein Einmalkatheterismus angewendet werden. Im Rahmen der frühen Behandlung kann auch ein “Blasentagebuch” (Miktionstagebuch) ein sehr sinnvolles Diagnose-Hilfsmittel sein: Durch die Aufzeichnung von Symptomen, Häufigkeit, Harndrangstärke und anderer Parameter (z. B. Flüssigkeitsaufnahme) kann so eine relativ objektive Bestandsaufnahme über einen gewissen Zeitraum (meist über zumindest drei Tage hinweg) erfolgen. Zeigt sich die Zuordnung der Symptomatik als schwierig, sind andere Unklarheiten vorhanden, die eine gezielte Therapie nicht möglich machen, oder gibt es Diskrepanzen zwischen klinischem Befund und Anamnese, so ist eine urodynamische Untersuchung empfohlen: Sie umfasst die Blasendruck-, die Harnstrahl- und die Harnröhrendruckprofilmessung. In bestimmten Fällen - etwa bei Belastungsinkontinenz mit zusätzlicher Entleerungsstörung, wiederkehrenden Harnwegsinfekten oder Hämaturie - kann auch eine “Blasenspiegelung” (Urethrozystoskopie) sehr hilfreich sein, um Tumoren, Steine oder Veränderungen an der Blasenschleimhaut auszuschließen.
Das wichtigste bildgebende Diagnoseverfahren ist der Ultraschall (Sonografie). (Bei der Untersuchung ist es empfohlen, dass die Blase zu etwa 300 ml gefüllt ist, um eine bessere Darstellung zu ermöglichen.) Die noch recht neue Methode der “Pelvic-Floor-Sonografie” erlaubt eine Beurteilung des gesamten Beckenbodens, d. h. neben der Blase auch andere Organe bzw. Organsenkungen, die unter Umständen die Inkontinenz begünstigen können. In einzelnen Fällen kann auch eine Magnetresonanztomografie (MRT) zur Bildgebung erfolgen.
Wie wird die Harninkontinenz am besten behandelt?
Je nach Symptomausprägung, nach Leidensdruck und Art der Inkontinenz können unterschiedlichste Behandlungsmodalitäten in Frage kommen. Die drei Säulen der Therapie 1. Lebensstil-Veränderungen, 2. konservative Therapie (Medikamente, Physiotherapie, Elektrostimulation der Nerven des Beckens), 3. chirurgische Eingriffe (Irwin 2019). Das wichtigste Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität und die Ausschaltung möglicher die Inkontinenz verursachende Faktoren. Da sich aufgrund der Erkrankung ein psychischer Leidensdruck manifestieren kann, sollten auch psychologische Maßnahmen in Betracht gezogen werden (Shinohara 2013).
Behandlungsmöglichkeiten im Check:
- Inkontinenz bei der Frau: So hilft Beckenbodentraining
- Inkontinenz bei der Frau: Diese Medikamente helfen
- Lebensstil-Modifikationen
- AWMF Leitlinie S2k “Harninkontinenz der Frau” (2021): https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-091l_S2k_Harninkontinenz-der-Frau_2022-03.pdf
- Irwin, Gretchen M. “Urinary Incontinence.” Primary care vol. 46,2 (2019): 233-242. doi:10.1016/j.pop.2019.02.004
- Beutel, M E et al. “Prävalenz der Urininkontinenz in der deutschen Bevölkerung. Komorbidität, Lebensqualität, Einflussgrössen” [Prevalence of urinary incontinence in the German population]. Der Urologe. Ausg. A vol. 44,3 (2005): 232-8. doi:10.1007/s00120-005-0791-y
- Shinohara, Kiyomi et al. “Behavioural therapies versus other psychological therapies for depression.” The Cochrane database of systematic reviews vol. 2013,10 CD008696. 16 Oct. 2013, doi:10.1002/14651858.CD008696.pub2